Bauen ist wie Softwareentwicklung. Oder doch nicht?

Nach­dem ich im April 2011 mit dem Sam­meln von Kon­so­len und Heim­com­pu­tern begann – mit dem Ziel ein Muse­um auf­zu­bau­en – erwarb ich im August 2014 eine Immo­bi­le der ehe­ma­li­gen Ruhr­koh­le AG. Im April 2015, nach­dem die Stadt Dort­mund den Nut­zungs­än­de­rungs­an­trag bestä­tigt hat­te, began­nen die Umbau­maß­neh­men. In den letz­ten Mona­ten konn­te ich viel über das Hand­werk und Bau­maß­nah­men ler­nen. Da ich aus dem Bereich der agi­len Soft­ware­ent­wick­lung kom­me gehe ich auch das Bau­pro­jekt so an, doch die Par­al­le­len sind nicht über­all gege­ben.

Bauen ist wie Softwareentwicklung

Wie bei der Soft­ware­ent­wick­lung gibt es beim Bau­en Tätig­kei­ten, die par­al­lel lau­fen kön­nen, ande­re wie­der­um fin­den strikt sequen­zi­ell statt. Her­aus­zu­fin­den was alles gemacht wer­den muss ist ein­fach. Dann alles hin­ter­ein­an­der aus­zu­füh­ren ist auch ein­fach. Span­nen­der ist es die Arbei­ten so zu koor­di­nie­ren, dass sie par­al­lel statt­fin­den kön­nen. Das ist wie beim Mul­ti-Threa­ding: es läuft erst dann wirk­lich schnell, wenn sich die Threads nicht im Wege ste­hen und sich nicht koor­di­nie­ren müs­sen.

In einem Team hat jeder eine fes­te Auf­ga­be und es ist essen­zi­ell ein gutes Team zu haben. Ich habe im Grun­de mit mei­nen Team Glück. Lei­der gab es unvor­her­seh­ba­re Aus­fäl­le, von kran­ken Mit­ar­bei­tern bis zu defek­ten Maschi­nen, aber so ist das, und das muss ein­kal­ku­liert wer­den. Arbei­ten auf Stun­den­lohn haben den Vor­teil, dass man sich von Mit­ar­bei­ten schnell tren­nen kann; Arbei­ten zum Fest­preis haben IMO den Vor­teil, dass es leich­ter ist, Nach­bes­se­run­gen zu ver­lan­gen.

Die meis­ten Soft­ware­ent­wick­ler wol­len ihre Sache gut machen und wer­den oft vom Manage­ment dar­an gehin­dert, zu doku­men­tie­ren oder not­wen­di­ge Refac­to­rings durch­zu­füh­ren, da von oben lau­fend neue Anfor­de­run­gen kom­men und der Ter­min­druck hoch ist. Bei mei­nen Hand­wer­kern habe ich nicht das Gefühl, dass sie ihre Auf­ga­ben irgend­wie schnell hin­ter sich brin­gen wol­len, son­dern ihre Auf­ga­be gut machen wol­len, unab­hän­gig davon ob sie für einen Stun­den­lohn arbei­ten oder zum Fest­preis. Sie wol­len spä­ter auf ihr „Werk“ stolz sein und gute Arbeit ablie­fern. Kei­ner ist im Hand­werk, weil er viel Geld ver­die­nen will.

Lei­der muss­te ich wie­der­holt erle­ben, dass ein fähi­ger Hand­wer­ker einen unfä­hi­gen Hel­fer mit­brach­te, der zum glei­chen Stun­den­lohn arbei­te­te. Das führ­te immer wie­der zu Dis­kus­sio­nen. Bei der Maut-Soft­ware wird auch nicht jede Zei­le Code von einem Voll­pro­fi pro­gram­miert sein … Und genau­so wie eini­ge Ent­wick­ler mit rau­chen, tele­fo­nie­ren und chat­ten Zeit ver­trö­deln tuen dies Hand­wer­ker. Ein paar Tage war ein Aus­bil­der hier, der sicher­lich in der Theo­rie sei­ne Sache ver­steht, aber Arbei­ten nicht gewohnt war und die GK-Plat­ten krumm und schief kleb­te. Ein IBM-Con­sul­tant muss auch kei­ne Gra­na­te beim Debug­ging des DB2-Trei­bers sein.

Soft­ware und Werk­zeu­ge sind gut doku­men­tiert und so sind vie­le Infor­ma­tio­nen im Netz ver­füg­bar. Auch wenn man nicht selbst den Tro­cken­bau erle­digt, oder den Est­rich gießt, fin­det man unzäh­li­ge Vide­os im Netz, die einen Ein­druck von der Arbeit geben. Zuschau­en und Fra­gen hilft die Zusam­men­hän­ge und Abläu­fe zu ver­ste­hen. Und eigent­lich erklä­ren die Hand­wer­ker auch ger­ne.

Exter­ne Kräf­te ein­zu­set­zen ist immer teu­er als es selbst zu machen. Wer eine Wor­d­Press-Home­page selbst auf­set­zen kann spart genau­so Geld wie jemand, der einen Tag am Tep­pich-Strip­per steht.

Die Dau­er – und damit letzt­end­lich die Kos­ten – man­cher Auf­ga­ben und Tätig­kei­ten ist schlecht abschätz­bar. Eini­ge Din­ge gehen schnell, ande­re dau­ern unge­wöhn­lich lan­ge. 2000 qm Decke nebeln ist in 2 Tagen gemacht, alle Heiz­kör­per rei­ni­gen dau­ert ein Viel­fa­ches.

Beim Bau­en geht es wie bei den Soft­ware­ent­wick­lung dar­um, Stan­dard-Kom­po­nen­ten zu neh­men und die­se zu etwas Grö­ße­rem zusam­men­zu­fü­gen. Eini­ge Kom­po­nen­ten sind abso­lut gleich­wer­tig, aber ver­schie­den teu­er, etwa GK-Plat­ten oder Putz; dann merkt man, dass es in einem Bereich nur noch zwei Her­stel­ler gibt, und man an die­sen nicht vor­bei­kommt.

Mate­ri­al­kos­ten + Arbeits­lohn = Gesamt­kos­ten. Nicht sel­ten muss­te ich ent­schei­den ent­we­der güns­ti­ge bzw. vor­han­de­ne Mate­ria­li­en zu nut­zen, mit denen für das End­ergeb­nis mehr Arbeits­zeit anfällt, oder kom­plett neue Pro­duk­te ein­zu­set­zen, die schnell in der Ver­ar­bei­tung sind. Das ist ein wenig so, als ob man ein sehr bekann­tes, aber in die Jah­re gekom­me­nes Frame­work ein­setzt und die Schwä­chen aus­bü­gelt, oder das neue chi­ce Frame­work nutzt, aber Ein­ar­bei­tungs­zeit anfällt. Ich erin­ne­re mich an einen Hand­wer­ker, der immer eine güns­ti­ge Lösung für das Mate­ri­al im Blick hat­te — was toll ist — aber so lang­sam gear­bei­tet hat, das der Ein­kauf von schnell zu ver­ar­bei­ten­de Pro­duk­ten bei ihm güns­ti­ger gewe­sen wäre.

Bei kom­mer­zi­el­ler Soft­ware sind die Ver­käu­fer geschult, die Vor­tei­le ihrer Pro­duk­te zu prei­sen und ggf. Mit­be­wer­ber klein­zu­re­den. Das ist bei Bau­pro­duk­ten nicht anders; es ist schwie­rig, eine unab­hän­gi­ge Quel­le zu fin­den, die einem klar macht, wel­che Vor-/Nach­tei­le PVC gegen­über Epo­xy-Beschich­tung hat, ob man die Decke von innen oder außen dämmt, mit GK-Plat­ten die Wand ver­klei­det oder Putz auf­spritzt. Es gibt zwar mas­sig Infor­ma­tio­nen zu spe­zi­el­len Pro­duk­ten im Netz, aber weni­ger „Meta-Infor­ma­tio­nen“.

Der Soft­ware-Archi­tekt hat das Gro­ße im Blick, schwä­chelt aber im Detail. So ist es beim Bau­en auch. Ein Archi­tekt dele­giert schnell an Fach­pla­ner, ist eher für die „Visi­on“ da und schiebt die Rea­li­sie­rung auf ande­re ab. Ein Archi­tekt muss kein guter Bau­lei­ter sein.

Die agi­le Soft­ware­ent­wick­lung lebt vom Feed­back des Kun­den. Mein Vor­teil ist, dass ich das Bau­vor­ha­ben per­ma­nent beglei­te und immer ansprech­bar bin. Jeden Tag gibt es Mikro­ent­schei­dun­gen: Hier Kabel­tras­se oder Plas­tik-Kabel­ka­nal oder Auf­putz mit Kabel­schel­le? Ober­flä­chen-Rau­putz hier oder doch glatt in den Durch­gän­gen? Eisen­ar­mie­run­gen abfle­xen oder abknei­fen? Inter­net-Kabel CAT 7 neu oder CAT 5 Bestand wei­ter­nut­zen? Und so wei­ter, und so wei­ter.

Bei IT-Pro­jek­ten gibt es im bes­ten Fall die Ent­wick­ler als aus­füh­ren­de Ein­heit und Archi­tek­ten bzw. Desi­gner, die fun­da­men­ta­le Vor­ga­ben machen. In der Pra­xis ist das ver­kürzt: stellt der Kun­de die Anfor­de­run­gen gehen die­se häu­fig direkt zum Ent­wick­ler­team, weil Ent­wick­ler und Desi­gner mit­un­ter iden­tisch sind. Beim Bau­en kann das so lau­fen, muss aber nicht. Wenn ich als Bau­herr mei­ne Wün­sche bezüg­lich Sani­tär und Tro­cken­bau äuße­re, bekom­me ich Vor­schlä­ge zur Umset­zung. Doch Elek­tri­ker wol­len am liebs­ten ein Kon­zept auf Papier sehen, was sie ein­fach umset­zen kön­nen; hier wäre also ein „Desi­gner“ gefragt.

Bauen ist nicht wie agile Softwareentwicklung

Die klas­si­sche Soft­ware­ent­wick­lung arbei­tet in den Pha­sen Ana­ly­se, Design, Imple­men­tie­ren, Tes­ten, Geld kas­sie­ren. Doch das Was­ser­fall­mo­dell funk­tio­nier­te nie! Schnell kam man daher zu agi­len Metho­den: Rea­li­sie­re erst dann etwas in der Soft­ware, wenn es eine Anfor­de­rung wird. Kurz gesagt: Wann man einen Toas­ter braucht, dann schreibt man die Soft­ware nicht so gene­risch, dass aus dem Toas­ter ein Kühl­schrank wer­den kann. Bau­en ist weni­ger agil.

Drei Bei­spie­le:

Hät­te ich in die Zukunft schau­en kön­nen, hät­te ich bei dem Abriss Geld und Zeit gespart. Denn die Boden­flie­sen hät­ten gleich bei der Ent­ker­nung run­ter­ge­konnt, die Wand­flie­sen zu ent­fer­nen war jedoch ein Feh­ler. Und die gan­zen alten Brand­mel­der zu ent­fer­nen war auch ein Feh­ler, die Bestands­lei­tun­gen hät­te man noch nut­zen dür­fen.

Vie­le Din­ge müs­sen lan­ge im Vor­aus geplant und bestellt wer­den. Ein Fahr­stuhl dau­ert drei Mona­te, eine Flucht­trep­pe (wenn man Glück hat) einen Monat, T30 RS-Türen einen Monat und 2000 qm PVC-Boden ist viel­leicht über­haupt nicht ver­füg­bar, son­dern erst wie­der in Mona­ten, weil die Ware erst in Chi­na pro­du­ziert wer­den muss. Fun­da­men­te müs­sen wochen­lang durch­trock­nen, eben­so Putz, bis er gestri­chen wer­den kann. Hat man das nicht im Blick, ver­zö­gert sich das Pro­jekt.

 

Resümee

Die Pla­nung von IT-Pro­jek­ten hat viel mit Bau­pro­jek­ten gemein­sam. In bei­den Fäl­len gilt: Je mehr man am Anfang weiß, des­to weni­ger Stress hat man spä­ter. Das Design spielt eine gro­ße Rol­le und bei der Ausführung/Implementierung ist es gut, wenn der Auf­trag­ge­ber immer in der Nähe ist.

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